Präeklampsie oder wie man früher dazu sagte: die Schwangerschaftsvergiftung in Frage und Antwort

  31. Januar 2023

«Was ist eigentlich eine Präeklampsie und muss ich als Schwangere davor Angst haben?»
Eines Vorneweg, Angst ist selten ein guter Begleiter, aber Respekt zu haben vor der Erkrankung und darüber informiert zu sein, ist durchaus eine gute Idee.
Eine Präeklampsie ist eine Erkrankung, die bei etwa 2-8 % der Schwangeren Weltweit und 2% in Europa vorkommen kann. In der Schweiz liegt der Prozentsatz bei weniger als 2 %. Das heisst, es betrifft nur etwa 2 von 100 schwangeren Frauen.
Der Name Präeklampsie bedeutet “vor der Eklampsie”, wobei als Eklampsie ein epileptischer Anfall bezeichnet wird. Der Name bezieht sich demnach auf die am meisten gefürchtete Komplikation der Erkrankung. Diese Bezeichnung beschreibt die Erkrankung jedoch nur unvollständig und bedarf weiterer Erklärungen. Ein eklamptischer Anfall kommt glücklicherweise nur bei etwa 0,5 bis 3% aller Frauen mit Präeklampsie und etwa bei 0,1% aller Schwangerschaften vor. Es ist also eine gefürchtete, aber seltene Komplikation der Präeklampsie.
Leider gibt es auch heute noch keinen besseren Begriff für die Erkrankung als “Präeklampsie”, weshalb sie im Folgenden auch so genannt wird.

Warum wird diese Erkrankung nicht als Schwangerschaftsvergiftung bezeichnet?
Der Begriff “Schwangerschaftsvergiftung” ist ein veralteter Begriff und suggeriert, dass man durch die eigene Schwangerschaft vergiftet wird. Aber dies ist nicht korrekt, wenn man sich die Definition einer Vergiftung anschaut:
“Als Vergiftung bezeichnet man die Aufnahme schädigender Substanzen in den Körper sowie die daraus resultierende Beeinträchtigung der Körperfunktionen.”
Die Schwangerschaft ist keine Substanz, die Sie zu sich genommen haben. Sie entsteht in Ihnen. Somit ist der Begriff zu ungenau.

Wie entsteht eine Präeklampsie?
Die genaue Entstehung der Erkrankung ist nicht genau bekannt. Aber die Aktuelle Theorie besagt, dass sich die Plazenta nicht so in das Gewebe der Gebärmutter einnistet, wie sie es eigentlich tun sollte. Dadurch werden die Gefässe der Plazenta nicht so gross, wie sie es sein sollten und es entsteht am Einnistungsort ein stetiger Überdruck. Das führt dazu, dass Stoffe in den Blutkreislauf gelangen, die an verschiedenen Organen unerwünschte Auswirkungen haben können.
Die Organe, welche betroffen sein können, sind die Leber, die Nieren, das Gehirn, die Plazenta selbst und damit auch das Wachstum und die Sicherstellung der Versorgung des Kindes.
Ein treffender Name für die Präeklampsie wäre daher zum Beispiel «Multisystem-Plazenta-Schwangerschaftserkrankung».

Was sind die Symptome einer Präeklampsie?
Die Symptome einer Präeklampsie sind vielfältig und es müssen nicht immer alle Symptome auftreten, um die Diagnose einer Präeklampsie zu stellen. Vielleicht ist Ihnen in der Schwangerschaftskontrolle aufgefallen, dass wir oft nach diesen Symptomen fragen:

  • Kopfschmerzen oder Augenflimmern/-flackern (Zeichen einer Gehirnbeteiligung)
  • Schmerzen im rechten Oberbauch (dort befindet sich die Leber)
  • Übelkeit
  • Wassereinlagerungen mit rascher Gewichtszunahme (die Stoffe greifen die Gefässe an, so dass das Wasser von den Gefässen in das Gewebe fliesst und zu dicken Händen und Füssen führen kann)
  • Kein regelmässiges Wasserlassen mehr möglich (Zeichen für eine Nierenbeteiligung)
  • Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands (das Gefühl krank zu sein, jedoch ohne Fieber).

Das sind die Symptome, welche Ihnen auch selber auffallen könnten. In jeder Kontrolle schauen wir uns zudem ihren Blutdruck an. Sollte dieser zu hoch sein, muss man weiter auf die Suche gehen und eine Präeklampsie ausschliessen. Auch der Urin wird bei jeder Kontrolle beurteilt. Wenn es darin zu viele Eiweisse hat, kann das auch schon ein Hinweis auf eine Präeklampsie sein. Des Weiteren wird bei Verdacht auch eine Blutentnahme gemacht, um weitere Parameter abzuklären.

Ich habe einmalig Kopfschmerzen in der Schwangerschaft und seit 3 Wochen habe ich Wassereinlagerungen. Habe ich nun die Diagnose Präeklampsie?? Bloss, weil Sie vielleicht eines der möglichen Symptome haben, heisst das noch nicht, dass sie eine Präeklampsie haben. Wenn Sie jedoch eines der Symptome bei sich bemerken, dann möchten wir gerne eine Präeklampsie ausschliessen und werden weitere diagnostische Schritte einleiten.
Und manchmal ist die Diagnose auch nicht von Anfang an ganz klar und kann erst nach mehreren Besuchen gesichert werden.

Ich fühle mich rundum wohl und gesund, aber meine Ärztin sagt mir, dass ich aufgrund meiner Befunde eine Präeklampsie habe. Wie ist dies möglich, wenn es mir doch gut geht? Diese Situation kann durchaus vorkommen. Sie ahnen nichts Böses und kommen gut gelaunt in einem stabilen Zustand zur Kontrolle und Ihre Ärztin eröffnet Ihnen, dass Sie eine Präeklampsie haben und eine geeignete Behandlung angezeigt ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass sich eine Präeklampsie unterschiedlich zeigt. Die eine Patientin kann in verschlechtertem Gesundheitszustand kommen – mit erhöhtem Blutdruck und deutlich schlechtem Körperempfinden – allerdings weisen die Blutbefunde noch nicht deutlich auf eine Präeklampsie hin. Eine andere Patientin wiederum kann symptomfrei in der Praxis erscheinen, anhand des Blutdrucks und der Blut- sowie Urinbefunde zeigt sich jedoch, dass auch sie bereits eine Präeklampsie hat, jedoch glücklicherweise noch nicht mit stark ausgeprägten Symptomen. In beiden Fällen ist eine Behandlung angezeigt, welche individuell festgelegt wird.
Es ist erfreulich, wenn Sie sich insgesamt gut fühlen, trotzdem sollten Sie sich den Rat Ihrer behandelnden Fachperson zu Herzen nehmen. Denn das Heimtückische daran ist, dass sich Ihr guter Gesundheitszustand rasch ändern kann.

Gibt es denn Risikofaktoren für das Auftreten einer Präeklampsie?
Es gibt diverse Risikofaktoren, die das Auftreten einer Präeklampsie etwas wahrscheinlicher machen können. Dazu gehören:

  • Autoimmunerkrankungen wie Anti-Phospholipid-Syndrom oder Lupus erythematodes
  • Wenn Sie bereits eine Präeklampsie hatten
  • Übergewicht mit einem Body Mass Index von mehr als 30
  • bei vorbestehendem Diabetes mellitus
  • bei familiärer Vorbelastung (Ihre Mutter oder Ihre Schwester hatten auch schon eine Präeklampsie)
  • bei vorbestehender Nierenerkrankung oder Diabetes mellitus
  • Sie leiden schon vor der Schwangerschaft an Bluthochdruck
  • Sie sind älter als 40 Jahre alt
  • es ist Ihre erste Schwangerschaft
  • Sie haben eine dunkle Hautfarbe

Schwangerschaftsbedinge Risikofaktoren:

  • Mehrlingsschwangerschaft
  • IVF/Eizellspende
  • Schwangerschaftsdiabetes

Nicht alle dieser Risikofaktoren sind gleich schwer zu bewerten. Im Gespräch mit einer Fachperson können diese Risikofaktoren eingeordnet werden.

Meine Schwester hatte eine Präeklampsie und ich bin schon über 40 Jahre alt. Kann ich denn jetzt gar nichts tun und muss mit dem erhöhten Risiko leben?

Tatsächlich gibt es eine gute Prophylaxe, welche in einer gross angelegten Studie untersucht wurde. Zusammen mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt wird in den ersten Untersuchungen festgelegt, ob Sie diese Prophylaxe durchführen sollten oder ob es nicht notwendig ist. Bei sehr hohem Risiko, wie zum Beispiel, wenn Sie selbst in der vorangehenden Schwangerschaft eine Präeklampsie hatten, werden Sie auf jeden Fall ab der 12. Schwangerschaftswoche eine solche Prophylaxe erhalten, um das Risiko zu minimieren.

Gibt es verschiedene Arten der Präeklampsie? Es gibt zwei Arten die Vorkommen können, einmal die Early-Onset Präeklampsie welche schon vor der 34+0 Schwangerschaftswoche auftritt und die Late-Onset Präeklampsie welche nach 34+0 Schwangerschaftswochen auftritt. Von einer Präeklampsie kann man aber erst ab der 20+0 Schwangerschaftswoche reden. Vorher tritt sie in der Regel nicht auf. Wenn die Präeklampsie früher vorkommt, ist sie meistens auch etwas schwerwiegender als die erst später auftretende Präeklampsie.

Wie sieht die Behandlung einer Präeklampsie aus? Es ist wichtig zu wissen, dass es nur eine ursächliche Behandlung der Präeklampsie gibt, und das ist die Entbindung. Denn dann ist die Plazenta nicht mehr in Ihrem Körper und die Stoffe, welche wahrscheinlich die ganzen Symptome verursachen, werden langsam abgebaut. Es kommt nun aber darauf an, in welcher Woche der Schwangerschaft Sie sich befinden.
Wenn eine Präeklampsie nach der 37+0 Schwangerschaftswoche auftritt, macht es in der Regel keinen Sinn lange zu warten. Man sollte die Entbindung anstreben. Denn das Kind kommt dann nicht mehr zu früh auf die Welt. Das heisst nun aber nicht, dass man in jedem Fall einen Kaiserschnitt durchführen muss. Es kommt ganz auf ihren individuellen Gesundheitszustand an. Manchmal wird von Fachpersonen auch eine Einleitung vorgeschlagen. Tritt die Präeklampsie jedoch vor der 34+0 Schwangerschaftswoche auf, so ist das Kind noch etwas früh dran. Deshalb kann es sein, dass man Ihnen den Vorschlag macht, die Lungen Ihres Kindes mit einem Medikament reifen zu lassen. Nicht in jedem Fall kann man warten, bis das Kind die Reife (also die 37+0 Schwangerschaftswoche) erlangt, nämlich dann, wenn von einer schweren Präeklampsie ausgegangen werden kann.
Manchmal werden Ihnen Ihre behandelnden Ärzte und Ärztinnen auch Magnesium über die Vene verabreichen. Dies dient nicht zur Heilung der Präeklampsie, sondern soll dem oben schon einmal genannten eklamptischen Anfall vorbeugen. Diese Prophylaxe ist nicht immer notwendig. Aber Sie wird, wenn Sie begonnen wird, für ein bis zwei Tage auch noch bis nach der Geburt weitergeführt.
Die Behandlung geschieht immer individuell und auf Ihre Situation abgestimmt.

Bin ich geheilt, wenn mein Kind auf der Welt ist und die Plazenta aus meinem Körper entfernt ist?
Die Entbindung ist tatsächlich die einzige kausale und heilende Therapie. Allerdings hat man auch die ersten Tage nach der Entbindung, nämlich bis sieben Tage danach, noch das Risiko eine weitere Komplikation der Erkrankung zu erleiden. Deshalb werden weiterhin Kontrollen des Blutdrucks, des Urins und des Blutes durchgeführt.
Manche Frauen müssen noch etwas länger überwacht werden und andere können relativ früh das Krankenhaus mit ihrem Neugeborenen verlassen, auch dies ist individuell.
Das Risiko, dass sie nach einer ausgeprägten Präeklampsie in Ihrem Leben einen hohen Blutdruck entwickeln werden, ist höher als bei Frauen, die nie eine hatten. Deshalb wird in einem solchen Fall auch immer zu einer hausärztlichen Abklärung nach sechs Monaten und zu einer jährlichen Untersuchung des Blutdrucks geraten.

Die Angst einer Präeklampsie scheint also angesichts der heftigen Auswirkung durchaus begründet?
Die Auswirkungen einer Präeklampsie sind sehr einschneidend. Jedoch tritt sie bei uns nur selten auf. Das Risiko wird mit den heutigen Massnahmen - der Erkennung der Risikofaktoren und der medikamentösen Prophylaxe - noch weiter reduziert. Im Gespräch mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin können diese Ängste in Ruhe besprochen und Ihr individuelles Risiko und das weitere Vorgehen im Detail geplant werden.

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